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Samstag, 16. März 2024

Das hegelsche System (K)

Hegel war ein Philosoph des Geistes und der bedeutendste Vertreter des deutschen Idealismus. Viele halten den deutschen Idealismus und allen voran Hegel für den Gipfelpunkt der Philosophie. Die Bewunderung für Hegel entstammt nicht nur der aus heutiger Sicht geradezu abenteuerlich erscheinenden Vorstellung, wahre Philosophie müsse einem Systemanspruch gerecht werden, also einen umfassenden Welterklärungscharakter besitzen, sondern auch der Überzeugung, Philosophie solle in einem christlichen Sinne religiös sein.


Grundlegung der Philosophie

In der Phänomenologie des Geistes, dem ersten typischen Werk des reifen Hegel, formuliert Hegel als Voraussetzung für alles wahrhafte Philosophieren den „wissenschaftlichen Standpunkt“ zu gewinnen. Er bezeichnet diesen auch als das „absolute Wissen“. Um diesen zu erreichen, muss ein Weg gegangen werden, der für den dann gewonnenen Standpunkt nicht gleichgültig ist: nicht „das Resultat [ist] das wirkliche Ganze, sondern es zusammen mit seinem Werden“ (PG 13).

Der Weg zum „absoluten Wissen“ ist dabei für Hegel das Begreifen des Absoluten selbst. Auch für das Absolute ist die Zugangsweise zu ihm nicht gleichgültig. Es umschließt auch den Prozess seiner Erkenntnis. Der Zugang zum Absoluten ist zugleich dessen Selbstäußerung. Wahre Wissenschaft ist letztlich nur in dieser Perspektive des Absoluten möglich.

Der Weg zum wissenschaftlichen Standpunkt


Stufen des Wissens

Sinnliche Gewissheit →
Wahrnehmung →
Selbstbewusstsein →
Vernunft →
Geist →
absolutes Wissen

Hegel beginnt mit einer Analyse des „natürlichen Bewusstseins“. Die eigentliche Wirklichkeit (die „Substanz“) ist für das natürliche Bewusstsein in seiner elementarsten Stufe das, was es unmittelbar vorfindet: die „sinnliche Gewissheit“. Dies entspricht philosophisch der Position des Empirismus. Hegel zeigt auf, dass der empirische Wirklichkeitsbegriff notwendig ein Selbstbewusstsein voraussetzt, das das sinnlich Wahrgenommene als solches interpretiert.

Aber auch das Selbstbewusstsein ist nicht das eigentlich Wirkliche. Es kann sein eigenes Bei-sich-sein nur im Unterschied zu einer natürlichen Wirklichkeit bestimmen; seine Substantialität ist daher notwendig von dieser natürlichen Wirklichkeit abhängig.

In der dritten Form des natürlichen Bewusstseins, der Vernunft, kommt die Bestimmung der Substanz des Bewusstseins und des Selbstbewusstseins zu einer Synthese. Das zur Vernunft entwickelte Selbstbewusstsein beharrt auf seiner eigenen Substantialität, erkennt aber zugleich, dass es sich zu einer natürlichen Wirklichkeit verhält, die ebenfalls substantiell ist. Dies lässt sich nur miteinander versöhnen, wenn das Selbstbewusstsein seine Substantialität in der Substantialität der natürlichen Wirklichkeit wiedererkennt. Nur dann lässt sich der Widerspruch, den zwei Substanzen mit sich bringen, vermeiden.

Hegel bestimmt im weiteren Verlauf der Phänomenologie die Vernunft als „sittliche Vernunft“. Als solche ist sie nicht nur Produkt des Selbstbewusstseins, sondern bezieht sich immer schon auf eine äußere Wirklichkeit, die ihr vorausgeht. Die Vernunft kann nur als die sittliche Substanz einer wirklichen Gesellschaft existieren; in dieser Form ist sie (objektiver) Geist.

Der Geist ist seinerseits wiederum vom Selbstbewusstsein abhängig. Dieses hat die Freiheit, sich dem herrschenden Gesetz nicht zu fügen, was sich historisch z. B. in der Französischen Revolution zeigt. Seine Freiheit gründet letztlich auf dem absoluten Geist.

Der absolute Geist zeigt sich zunächst in der Religion. In der „Naturreligion“ deutet das Selbstbewusstsein noch die natürliche Wirklichkeit als Selbstausdruck eines absoluten Wesens, während in der „offenbaren Religion“ die menschliche Freiheit die zentrale Rolle spielt. Der Begriff des absoluten Geistes lässt sich als der Begriff der Wirklichkeit selbst verstehen, sodass die Religion in das absolute Wissen übergeht. Damit ist der Standpunkt gewonnen, von dem aus erst Wissenschaft im eigentlichen Sinn betrieben werden kann. Der ganze Inhalt der Erfahrung des Bewusstseins ist neu zu entfalten, aber nicht mehr aus der Perspektive des sich zu sich selbst und seinem Gegenstand erst durchringenden Bewusstseins, sondern systematisch, d. h. aus der Perspektive des „Begriffs“.

Weblink:

https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/508170#Das_hegelsche_System

Samstag, 18. November 2023

»Jena 1800: Die Republik der freien Geister« von Peter Neumann

Jena 1800



Peter Neumann, geboren 1987, lebt als freier Schriftsteller in Weimar und lehrt Philosophie mit Schwerpunkt Deutscher Idealismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der Autor entwirft ein äußerst lebendiges Bild von Jena - von jenem Jena, welches in Aufbruchstimmung ist.

Jena ist um 1800 eine kleine Studentenstadt in Thüringen mit der höchsten Geniedichte in Deutschland. Im November 1799 ist Jena so etwas wie der geistig-kulturelle Mittelpunkt Deutschlands. Es ist die Zeit der Frühromantik.

Die ersten "freien Geister" sind längst da. Johann Gottlieb Fiche kam schon 1794. Der Autor bezeichnet Fichte als Kants Messias in Jena, er ist ein glühender Anhänger der neuen, kritischen Philoosophie. Noch vor Fichte war Schiller bereits in Jena. Schelling ist aus Richtung Dresden im Anmarsch.

Mit den Ideen der Französischen Revolution geraten nicht nur die politischen Verhältnisse in Europa ins Wanken. Eine ganze Generation von jungen Dichtern und Philosophen beschließt, die Welt neu zu denken. Die führenden Köpfe – darunter die Brüder Schlegel mit ihren Frauen, der Philosoph Schelling und der Dichter Novalis – treffen sich in der thüringischen Universitätsstadt an der Saale, um eine „Republik der freien Geister“ zu errichten.

Sie stellen nicht nur gesellschaftliche Traditionen in Frage, sie revolutionieren mit ihrem Blick auf das Individuum und die Natur zugleich auch unser Verständnis von Freiheit und Wirklichkeit – bis heute. Farbig und leidenschaftlich erzählt Peter Neumann von dieser ungewöhnlichen Denkerkommune, die nicht weniger vorbereitete als den geistigen Aufbruch in die Moderne.


Jena 1800



Literatur:

Jena 1800
Jena 1800: Die Republik der freien Geister
von Peter Neumann

Weblink:

Frühromantik

Samstag, 19. November 2022

Texte von Hegels Vorlesungen gefunden


Über 4.000 Seiten bisher unbekannter Notizen aus den frühen Vorlesungen des deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel an der Universität Heidelberg wurden gefunden, berichtet »The Guardian«.

Der Fund wurde von Klaus Vieweg, einem deutschen Philosophieprofessor und im Prozess der Erstellung einer Hegel-Biographie, im Archiv der Erzdiözese in München gemacht. Es ist, als würde man eine neue Partitur von Beethoven oder ein bisher unbekanntes Gemälde von (Maler John) Constable finden, sagt Vieweg gegenüber »The Guardian«.

Es wird angenommen, dass die Notizen von Friedrich Wilhelm Carové, einem der ersten von Hegel an der Universität Heidelberg unterrichteten Studenten, in den Jahren 1816–18 angefertigt wurden.

Hegel wurde vor 206 Jahren 1816 als ordentlicher Professor der Philosophie an die Universität Heidleberg berufen.

Hegel (1770–1831) hatte einen tiefen und weitreichenden Einfluss auf die westliche Philosophie. Nicht nur im Bereich Ästhetik, Kunst und Schönheit – sondern vor allem als Geschichts- und Gesellschaftsphilosoph. Sein Einfluss lässt sich in fast allen politischen Ideologien nachweisen, und unter den „Junghegelianern“ seiner Zeit ist unter anderem Karl Marx zu sehen. Er ist auch notorisch schwer zu lesen. Der britische Philosoph Bertrand Russell nannte Hegel „den am schwierigsten zu verstehenden der großen Philosophen“.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Samstag, 24. September 2022

Zur Kritik an Hegels Dialektik


Hegel


Hegels Dialektik ist bei den strengen Logikern auf heftigen Widerspruch gestoßen. Denn er setzt die Sätze von der Identität, vom Widerspruch und vom ausgeschlossenen Dritten damit außer Kraft. Diese Sätze allerdings basieren auf der definiten Selbständigkeit und Unterscheidbarkeit alles Einzelnen gegenüber allem anderen.

Hegel geht aber gerade von der allumfassenden Einheit alles Seins aus, das sich entfaltet. Dies führt dazu. dass ein Einzelgegenstand nicht mehr für sich, sondern nur noch im Gesamtzusammenhang mit allen anderen Gegenständen gedacht werden kann. Hierin zeigt sich, wie bereits in die Logik metaphysische Voraussetzungen eingehen.

Ferner wurde Hegels Identifikation von Denken und Sein grundsätzlich angegriffen. Im Grunde trifft ihn auch noch die Kritik, die Kant einst gegen die Metaphysik geschleudert hatte. Aber im Weiterdenken einiger Gedanken Kants konnte sich der Idealismus ganz gegen Kants ursprüngliche Intention kehren.

Diese Identifikation von Denken und Sein und die gleichzeitige Ableitung aller Seinsaussagen aus dem Denken führen zu einer Geringschätzung des empirischen Wissens. Auf die Widersprüche zwischen seinem System und der Wirklichkeit aufmerksam gemacht konnte Hegel so sagen: "Umso schlimmer für die Wirklichkeit". Diese Spannung zur empirischen Realität, die auch durch ein Überziehen der dialektischen Methode entsteht, kommt in der Naturphilosophie stärker zum Ausdruck als in der Geschichtsphilosophie. Das liegt sicher auch daran, dass Hegels historische Kenntnisse bedeutend tiefer sind.

Es ist die Frage zu stellen, ob die Identifikation Gottes mit dem sich nach dem Gesetz der Dialektik entfaltenden Geist überhaupt noch zulässt, von einer Freiheit Gottes zu sprechen. Hier gibt es sicherlich eine Spannung zum christlichen Gottesbegriff.

Blog-Artikel:

Georg Wilhelm Friedrich Hegel und sein absoluter Idealismus - philosophiestudium.blogspot.com

Samstag, 17. September 2022

Der deutsche Idealismus

Deutscher Idealismus

Als Deutscher Idealismus wird die Epoche der deutschen Philosophie von Kant bis zu Hegel und zum Spätwerk Schellings bezeichnet. Als zeitliche Rahmendaten gelten meist das Erscheinen von Kants »Kritik der reinen Vernunft« (1781) und der Tod Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1831).

Der Deutsche Idealismus war um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert in Deutschland die vorherrschende philosophische Strömung, die sich zur Aufgabe gesetzt hatte, in einem die verschiedenen philosophischen Sparten (Erkenntnistheorie, Logik, Naturphilosophie, Ethik, Staatslehre und Metaphysik) umfassenden Gesamtentwurf („System“) das Ganze der Welt auf „wissenschaftliche“ Weise erschöpfend zu erkennen und darzustellen.

In Auseinandersetzung mit den von Immanuel Kant in der »Kritik der reinen Vernunft« 1781 aufgeworfenen Problemen entstand eine Fülle sich abwechselnder Systementwürfe, wobei die Werke von Johann Gottlieb Fichte, Hegel und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling eine zentrale Stellung einnehmen. Der Deutsche Idealismus stand mit der Dichtung der Weimarer Klassik und der Romantik in vielfältiger Wechselwirkung.

Den deutschen Idealismus zu definieren, ist entweder unmöglich oder es ist die historische Darstellung des nachkantischen Idealismus. Er beginnt mit dem Versuch Kants Transzendentalphilosophie zu systematisieren und den Zusammenhand der Kategorien aus - jeweils anders gedacht - einem Prinzip herzuleiten, mal aus den Satz des Bewußtseins (Reinhold), aus dem reinen Ich (Fichte, teilweise Schelling), aus dem Absoluten als Identität von Subjekt und Objekt, die jeweils wieder bei Schelling und Hegel konträr gedacht werden und bei Schelling schließlich in einer geschichtlichen Philosophie (postive Philosophie) mündet.

Mit Evolutionstheorie im Sinne einer Historie von Arten hat das jedenfalls nichts zu tun, weil es um Evolution von Denkbestimmungen geht, die zwar kategorial auch geschichtliche Evolution denkbar machen, aber nicht als Realgeschichte, sondern als begriffliche Genesis.

Einfluß von Hegels Lehre

Hegels Lehre hatte grossen Einfluss auf die Philosophie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, insbes. auf Karl Marx. Der Einfluss Hegels breitete sich zunächst in Deutschland aus, schwächte sich dort dann aber seit den 1860er Jahren wieder ab. Im Ausland verbreitete sich der Hegelianismus seit den 1820er Jahren. Es bildeten sich Hegel-Schulen mit länderspezifisch sehr unterschiedlichen Positionen in Skandinavien, Italien, Frankreich, Ost-Europa, Russland, den USA und England heraus.

Schon bald nach dem Tod des Denkers spaltete sich die Denkschule in zwei Lager: der Linkshegelianer und die Rechtshegelianer.

Karl Marx gehörte zunächst dem Kreis der Linkshegelianer an, bevor er in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern Kritik an der hegelschen Rechtsphilosophie übte (1844). Marx übernahm aber immer wieder hegelsche Darstellungsweisen und Begrifflichkeiten wie etwa in seinen Analysen des Wertbegriffs,] der „Veräußerung“ der „konkreten Zeit“, des Übergangs von Quantität in Qualität und des Widerspruchs. Im Nachwort zum »Kapital«, Band I, offenbart sich Marx offen als Hegels „Schüler, jenes großen Denkers“, wobei er dessen Dialektik „umstülpen“ möchte, „um den rationellen Kern in der mystischen Hülle zu entdecken“.

Der Hegel-Schüler Karl Marx stellte seinen Lehrer von idealistischen Kopf auf die materialistischen Füße stellte und beschrieb den Prozess der bewegten Massen, die mehr Gerechtigkeit und ein besseres Leben verlangen, weil sie hungern nach Essen und Freiheit. So verteufeln die Anti-Hegelianer immer noch die marxistische Anti-These, als handle es sich um den Teufel und nicht um einen notwendigen Bestandteil hegelianischer Dialektik.

Samstag, 10. September 2022

Die Dialektik des Geistes (K)


Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Als das Wesen von Welt und Geschichte sah er den Geist, der sich im Laufe der Geschichte immer höher entwickelt, indem sich aus Entgegensetzem (These und Antithese) etwas Neues (Synthese) bildet, das wiederum dem dialektischen Kreislauf unterworfen ist. Höchste Stufe dieser Entwicklung ist die Philosophie, in der der Geist sich selbst erkennt und zu sich selbst findet. Hegel sah in der Materie nur eine Erscheinungsform des göttlichen Geistes.

Gegenüber Schelling, der in seiner Identitätsphilosophie schon einen ähnlichen Schritt tut, bringt Hegel nun Fichtes Entwicklungsgedanken in Anschlag: Der Geist ist kein statisches Prinzip, aus dem sich die Natur und die Geisteswelt (Geschichte) schrittweise entwickelt, sondern der Geist selbst ist im Werden und in der Entwicklung. Das Absolute soll als (selbst)tätiger Geist erfasst werden, der in unablässig voranschreitender Selbstbestimmung sich entwickelt. Damit ist Hegels Idealismus eine typische Philosophie des Werdens (im Gegensatz zur klassischen Metaphysik, die doch im Wesentlichen statisch ist).



Die Entwicklung des absoluten Weltgeistes verläuft nun, wie wir im Voranschreiten unseres eigenen Geistes im Denken, in dem sich der Weltgeist ausdrückt, sehen, nach dem dialektischen Dreischritt (Die These bringt die Antithese hervor, der Widerspruch zwischen beiden wird aufgelöst in der Synthese). Wiederum knüpft Hegel hier an Fichte an, verfeinert er aber dessen Dialektik. Bestand Fichtes Synthese im wesentlichen Darin, dass die Geltungsbereiche von These und Antithese jeweils partiell beschränkt werden, so dass der Widerspruch verschwindet, so werden nach Hegels Synthese These und Antithese in der Synthese aufgehoben (im dreifachen Sinn: beseitigt, aufbewahrt, emporgehoben).

Wichtig ist in diesem Zshg. der Begriff der Vermittlung: Die Abstraktion, die in jedem Begriff enthalten ist, bekommt erst dann ihre konkrete Fülle, wenn die "Geschichte des Begriffs", d.h. sein Sich-Entfalten in immer neuer Thesis, Antithesis und Synthesis, nachvollzogen wird. Man braucht diesen Durchgang, die Vermittlung, zum Verständnis des Begriffs.

Entscheidend ist nun, dass Hegel in seinem absoluten Idealismus die (logische) Entwicklung der Begriffe im dialektischen Gleichschritt mit einer realen Entwicklung des Seins identifiziert. Die Geschichte des Seins ist somit die Geschichte des Denkens. Hegel wird damit zu einem Wegbereiter des geschichtlichen Denkens, das im 19.Jhdt. alle Bereiche erfasst.


Blog-Artikel:

Georg Wilhelm Friedrich Hegel und sein absoluter Idealismus - philosophiestudium.blogspot.com